1976 – das ist mein Jahrgang. Europa, Deutschland, Bayern, Regensburg – meine Heimat.
Ich wurde auf einem gesellschaftlichen Zenit geboren.
Schaue ich mich um, erkenne ich, dass es immer nur vorangeht. Alles und jeder um mich herum gewinnt. Wir tanzen seit Jahrzehnten auf höchstem Niveau: Die CSU, der FC Bayern, unsere Autobauer, Angela, Jogi und „die Mannschaft“ – sie alle sind hochdekoriert. Selbst Papst waren „wir“ schon. Das alles macht einen Großteil unseres Lebensstandards aus.
Trotz alledem haben wir immer weniger Spaß dabei.
Warum nur erdreisten sich immer wieder welche, die sich in einer vergleichbaren Ausgangsposition befinden wie ich, zu jammern – ohne dass sie ihren Blick weiten und ebenso schnell wie eindeutig erkennen, wie privilegiert sie eigentlich sind?
Warum nur befinden wir uns allesamt in einer negativen Spirale der Angst?
Es liegt wohl mitunter an der verzwickten Tatsache, dass Glück sich nicht absolut messen lässt – dass sich jedes Level früher oder später abnutzt.
Kollektiv scheinen wir zu ahnen, was es bedeutet, an der Spitze zu sein: Es geht nun mal nicht weiter hinauf. Ja, es wird sogar eher abwärtsgehen.
Doch genau solche Gedanken bringen niemanden weiter – im Gegenteil, sie lähmen, machen destruktiv und aggressiv. Wenn wir das erkennen und damit aufhören, diese Erkenntnis zu verteufeln, dann haben wir etwas Entscheidendes gelernt:
Es ist das Privileg eines Champions, dass er etwas zu verlieren hat.
Diese Einstellung gilt es, zu verinnerlichen und zu leben.
Wie funktioniert nun dieses „Gewinnen“ eigentlich?
Als kompetent gelte ich in der Welt der Mathematik und am Kartentisch. Meine Entscheidungen in diesen Bereichen werden vielseitig respektiert und haben mich gleichzeitig viel nachdenken lassen.
Poker existiert als Markt, weil sich hier rationale Beweggründe und Spaßfaktoren auf zauberhafte Art und Weise begegnen.
Ein Profi misst sein „Glück“ in bar. Er investiert nur, wenn es sich lohnt. Wie aber kann er profitabel wirtschaften, würden alle anderen auch so denken?
Rein rationell betrachtet: gar nicht. Aber da gibt es ja noch die Amateure, die auch – oder gerade dann – investieren, wenn etwas Besonderes, etwas Ungewöhnliches passieren kann. So entsteht ein Markt. Der Eine nimmt den häufigen unspektakulären Sieg und profitiert stillschweigend, während der Andere pekuniär leise abbaut, aber hin und wieder laut und mit Getöse gewinnt. Nach Endorphinen gemessen verliert der Profi – aber eben nur in dieser Währung.
Man gelangt an die Spitze, weil man sein Tagwerk immer wieder sauber und korrekt verrichtet. Deswegen ist man oben und von dort aus blickt man nicht voller Hoffnung noch weiter hinauf. Die Hoffnung ist der (falsche) Freund derer, die es noch nicht geschafft haben.
Oben, da herrscht ein wahrer Freund. Es ist die Angst. Wer oben ist, kann nicht noch mehr erringen, hat nichts weiter zu erobern. Er kann nicht mehr offensiv aufschlagen und freudig auf ein noch besseres morgen hoffen. Nein – es ist bereits so gut, wie es nur sein kann. Das gilt es nun zu bewahren – ehe es irgendwann wieder runtergeht.
Doch ist das ein Grund, traurig zu sein? Nein – es ist ein Grund, stolz zu sein – und zu genießen. Ein Grund, großzügig zu sein. Ein Grund, dankbar zu sein. Ein Grund, demütig zu sein. Demütig vor allem in der Erkenntnis, dass niemand alleine und aus eigener Kraft ganz oben ist. Jeder braucht Helfer – und Glück!
Also denken wir bitte solch entscheidende Dinge, wie unsere Empfindungen, logisch zu Ende und überzeugen wir uns selbst:
Ein Spieler von Format darf keine Angst vor dem Elfmeter haben. Das ergibt keinen Sinn. Sämtliches Streben ist nur darauf ausgelegt, das Leder ins Netz zu befördern. Und nun – endlich! – kann man das vergleichsweise einfach umsetzen. Hurra! Genau das wollten wir doch die ganze Zeit. Wofür sind wir denn gelaufen, haben gekämpft, haben vieles ertragen – alles immer mit weniger konkreter Aussicht auf das Ziel als hier und jetzt beim Elfmeter!
Wer sich in dieser Situation fürchtet und sie nicht zu schätzen weiß, ist kein Champion. Ein Champion ist die Rolle des Favoriten gewohnt. Dass er Erfolg hat, ist keine Sensation. Nur sein Fallen ist eine Schlagzeile. Das zu bedauern oder sich deswegen zu fürchten ist Verrat an seinen Werten und an allem, was ihn zum Champion gemacht hat.
Um es mit deutlichen Worten zu einem Fazit zu bringen:
Als Champion suche ich Situationen, in denen ich maximal verlieren kann.
Am tiefsten kann nur fallen, wer so hoch thront, wie unser Land hier und heute. Wir werden in der Zukunft etwas abgeben – und das ist auch völlig ok so. Denn die absolute Mehrheit um uns herum leistet ebenfalls Enormes und wird nicht so stetig dafür belohnt wie wir. Respektieren wir einen jeden wie uns selbst.
Servus Stephan,
..ich finde auch, dass diese negative Stimmung in unserem schönen Land sehr bedenklich ist…nur wer weiß, wie Niederlagen sich anfühlen ,der kann sich über Siege freuen…
Das erlernen von Respekt, Demut und Dankbarkeit Verantwortung übernehmen sollte für mich auf jeden Lehrplan stehen…und auch zu Hause gelebt werden…
Ich finde es sehr gut wie du es schaffst die Dinge aus Pokern, Fußball, Politik und Gesellschaft miteinander zu verbinden 😊😎👍👍👍
Wahre Worte – Zufriedenheit ist der Schlüssel
Erfolg macht Spaß, Misserfolg treibtan, wenn man damit umgehen kann. Zu allem gehört die richtige Technik und die richtige Strategie. Ich spiele Golf. Dort habe ich mich erst mit der Technik rumgeschlagen und musste erkennen, dass ich technisch nicht mehr weiter komme, als bis dort hin wo ich war. Mit einer guten Technik und Strategie kann ich trotzdem am Ende gewinnen indem ich bei der richtigen Wahl meines Schlägers Hindernise aus dem Weg nehmen kann. Der Ball muss am Ende ins Loch und gesparter Patt ist so viel wert, wie ein 240 Meter Drive. Am besten kannst Du in diesem Sport Demut erlernen, denn der „schlechtere“ Spieler kann trotzdem gewinnen. Das kann am Glück liegen, aber auch an der richtigen Strategie. LG Micha
Sehr gut geschrieben und das trifft ziemlich den Nerv der Zeit. Tatsache ist, dass vor lauter Streben nach immer mehr Erfolg in unserer Gesellschaft gerne vergessen wird, welchen guten Lebensstandard wir hier in Deutschland haben und auch, dass es vielen Menschen eben nicht so gut geht wie einem selbst. Dankbarkeit und Zufriedenheit für das vorhandene Glück sind immer seltener bei vielen Personen zu finden. Natürlich fühlt sich Erfolg gut an und das „Gewinnen“ ist nicht verkehrt, aber es sollte nie verbissen sein oder auf Kosten anderer gehen. Bei all dem Streben danach sollte der Spass nie verloren gehen, denn wer mit sich selbst im reinen ist, somit eine innere Zufriedenheit spürt, ist der wahre Gewinner.
Recht aktuelle Diskussion in meinem Freundeskreis. Eine recht lapidare Aussage dabei:“ Den Leuten hier (bezogen auf Deutschland) geht‘s einfach zu gut“. Was zwar sehr verallgemeinernd und umgangssprachlich daherkommt, hat aber im Kern der Aussage durchaus seine Berechtigung, sollte zumindest zum Nachdenken anregen.
Grundsätzlich ist der Ehrgeiz immer nach mehr zu streben, den nächstgrößeren Schritt zu gehen, nach dem Motto „Solange besser möglich ist, ist gut nicht genug“, eine Lebenseinstellung, gegen die man an sich nichts einzuwenden hat. Nicht zuletzt deswegen hat sich auch „Made in Germany“ als Qualitätsmerkmal auf internationaler Ebene etabliert.
Allerdings darf man dabei nie vergessen was man eigentlich hat, wie privilegiert wir sind, welch hohe Standards wir in sämtlichen Gesellschaftsbereichen wir genießen. Wie bei jedem körperlichen Training sind Regenerationsphasen genauso wichtig wie das Trainieren an sich. Schnaufen wir doch einfach mal durch und genießen heute das was wir (erreicht) haben. Das gibt uns Kraft für den nächsten Schritt morgen. Den Erfolg nicht für einen ganz kurzen Moment zu genießen ist respektlos gegenüber dem Erreichten. In diesem Sinne: Always appreciate
Kann man besser nicht ausdrücken!!!!
Schöner Artikel, der zum Nachdenken / Reflektieren anregt.
Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf 👌🏻
klingt im grunde ganz einfach und logisch aber um drauf zu kommen muss oftmals erst dieser text her. sehr gute arbeit. geht direkt in die lesezeichen.
Hallo stephan
Wie du und die anderen bin ich natürlich auch der meinung:zufriedenheit ist der schlüssel zum glück.
Der eine hat sie, der andere sucht sie im golf oder poker oder beim philosophieren über eben diese .
Jeder hat seinen eigenen weg und jeder dieser ist für denjenigen hoffentlich der richtige.
Nur zur anregung: einfach mal loslassen, morgens im bett bleiben, mittags in der sonne liegen, abends mit freunden ein bier trinken gehen.
Hilft ungemein wenn man alles nicht zu ernst nimmt.
Gestern ist vorbei,morgen existiert noch nicht nur hier und jetzt ist wichtig.
Ich weiss jetzt wird einer sagen: leichter gesagt als getan!!
Richtig!!!
Top be- und geschrieben. Die Unzufriedenheit wächst mit dem Wachstum und den persönlichen Erfolgen.
Auch in mir spüre ich diese Unzufriedenheit wenn eine Errungenschaft oder ein Erfolg vorbei bzw. Usus geworden ist. Meine Frau allerdings ist meine bessere Hälfte die mich dann wieder zurück holt.
Ein Artikel der gerne auch in „Berlin“ vorgelesen werden sollte mit anschließender Besprechung……
Sehr schön geschrieben, Stephan, Es macht immer wieder Freude, auch deine philosophischen Einlassungen zu lesen. Für „Jogi und die Mannschaft“ hat sich das Blatt gestern allerdings gewendet. LG, Andy
Hallo Stephan,
ich werde nie Deine ‚Message‘ von unserem Seminar bei Dir vergessen: Die Mischung aus Mut und Demut bringt den Erfolg!
Und genau das hast Du wieder treffend beschrieben – schnörkellos und klar.
Tip Top👍🏼
Wieder einmal ein schöner , treffender Artikel !
Mein Respekt. Es liegt in der Natur des Menschen Erfolg zu haben, jedoch dürfen wir nicht vergessen: Ebenso auch Eitelkeit. Viele Ziele (Erfolge) werden –laut Freud – mit Eitelkeit vorangetrieben. Ebenso werden Respekt und Miteinander damit unterstützt 🙂
Liebe Grüße aus der Schweiz
Und weiter so
Hallp Stephan,
wenn der Mensch mit Herzblut und Leidenschaft seinen Beruf ausübt, sich gut organisiert bzw. seine Orga professionell aufstellt und er trotzdem sein LIFE BALANCE beachtet, dann ist er mit sich und seiner Umwelt zufrieden, glücklich und dankbar.
Ungeachtet natürlich den globalen Themen und Herausforderungen unserer Zeit. Und global bedeutet für mich persönlich bereits vor der eigen Haustüre an zu Denken beginnend.
ERFOLG HAT MAN IM LEBEN IMMER GEMEINSAM ODER NICHT – MENSCHEN BRAUCHEN MENSCHEN !
Wir gehen heute in Heilbronn auf den Rosenmarkt, u.a. den Duft der Rosen zu schnüffeln 🙂
LG Andreas
Ein Artikel, der zum Nachdenken anregt. Und Nachdenken ist immer gut.
Lieber Stephan,
wunderbar gewählte Worte, vorallem aber weiß ich, da wir uns mittlerweile bereits ein paar Jahre kennen, dass Du diese Werte selbst auch so lebst!
Interessante Gedanken Stephans, die in die „Philosophie“ leiten –
ja, es geht vielen in dem Sinne zu gut, dass sie ignorant sind, da die Bescheidenheit und Zufriedenheit dafür zu fehlen scheint, dass wir alle einen Sechser im Lotto gewonnen haben.
Wir leben in der BRD, haben notfalls HarzIV, sind alle krankenversichert, werden immer eine warme Hütte haben, haben freien Zugang zu Bildung.
Wie gesegnet wir damit schon sind, müssen wir anerkennen, wenn wir auf den afrikanischen Kontinent schauen.
DAS sollte eigentlich jede Angst nehmen. Alleinig, e i n e Grundvoraussetzung für alles erhalten bleiben mag, ist wichtig, die vielbesagte Gesundheit.
„Erfolgreich“ werden und bleiben, kann ich nur dann, wenn ich nicht stehen bleibe, das Ist ständig hinterfrage, wie ich besser werden kann, ob das aktuelle „gut“ noch gut genug ist, ob die eigene Einschätzung, ich sei top, noch zieht…was die Konkurrenz macht: ein wesentlicher Faktor dafür ist eine dauerhafte Neugierde auf alles und ein gutes Beobachten und ständiges Hinterfragen meiner Umwelt. Wie bspw. macht die Natur das und warum gerade so und wie kann ich das auf mein Leben oder Verhalten anwenden………….?
Besagte („german) Angst“ ist wohl vielmehr eine Frage eines Jeden – welche Werte habe ich, wie sehe ich meine Mitmenschen, wie begene ich ihnen, wie sehe ich das Leben an sich und auch, was kommt danach?
Versteht man, dass das Leben ein unglaubliches Geschenk ist, das wir hier alle sein dürfen für eine gewisse Zeit und in Saus und Braus leben können, d a n n kann es keinen Grund für ein ängstliches Verhalten geben.
OK; all das ist leicht geschrieben, auch ich lebe dies nicht so einfach lá lá, doch es ist eben so, wir haben n i c h t s zu verlieren.
Wie schon Dieter Meier (Yello) sagte:
Life is a holiday from being dead. 😉