So tönte es meiner Frau entgegen, als sie nach dem Studium von Mathematik und Physik voller Elan ihre erste Stelle an einem Gymnasium antrat. So jedenfalls „erklärte“ es ein älterer Mitkollege nicht nur meiner Frau, sondern auch seinen Klassen, die er in Mathematik unterrichtete. Damals war sie auch noch eine Ausnahme im Mathematikkollegium. Meine Frau war entsetzt, denn wie ist es wirklich?
Eine Untersuchung, die vor einigen Jahren auch in einem Focus-Artikel aufgegriffen worden ist, gibt eine völlig andere Information. Dort wird ein Experiment von Claude Steele aus dem Jahr 1999 vorgestellt. Er und seine Gruppe aus Stanford hatten Männern und Frauen Mathematikaufgaben vorgelegt. Eindeutig waren die Männer besser, wenn man den Test ohne jede Vorbemerkung auf die Beteiligten losließ.
Um zu testen, ob Vorurteile eine Rolle spielen, gaben sie den Teilnehmenden die Info, dass ja bekanntlich Männer besser anspruchsvolle mathematische Aufgaben lösen können als Frauen. Das anschließende Ergebnis des Tests bestätigte dieses Vorurteil deutlich.
Danach änderten sie die Taktik, indem sie einer anderen Vergleichsgruppe erklärten, dass bekanntlich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf Mathematik vorhanden seien. Prompt änderte sich auch das Ergebnis: Frauen und Männer schnitten gleich ab.
Fazit: Einfluss auf das Ergebnis geht offenbar von einer sogenannten „Stereotyp-Bedrohung“ aus. Wenn man glaubt, etwas nicht zu können, schneidet man auch schlecht ab beim Versuch, es trotzdem zu tun.
Marburger Forscherinnen gingen den umgekehrten Weg und erzählten den Probanden vor dem Test, dass ja bekanntlich Frauen besser im Lösen von mathematischen Aufgaben seien. Das Ergebnis überraschte ziemlich, denn jetzt wurden die Männer noch besser. Offenbar fühlten sich die Männer herausgefordert und strengten sich mehr an.
Auch in der Universität war das ein Thema, warum so wenige Frauen – nämlich weniger als 20 % Anteil unter allen, die das Diplom in Mathematik anstrebten – dabei waren. Ein Kollege gab mir damals eine Information, die oben geschilderte Untersuchung stützt. In Russland gibt es ein Institut für Mathematik, das von einer Frau geleitet wird. Dort sind überwiegend Frauen unter den Promovenden, eine Habilitation haben dort fast nur Frauen erreicht.
Sein Fazit war, dass es wohl das Vorbild ist, was Frauen von der Mathematik abhält. Wenn immer nur Männer an der Tafel vorne rumspringen, dann ist das wohl auch nur für Männer gedacht.
Aus allem darf man getrost den Schluss ziehen, dass Mädchen genauso begabt für Mathematik sind wie Jungen. Dabei fällt mir ein schöner Text aus dem Lied „Noah fand Gnade vor den Augen des Herrn“ von Bruce Low ein:
„Du weißt nie, was Du kannst, bevor Du es versuchst!“
Also, liebe Mädchen, bitte nicht abhalten lassen, sondern erst mal versuchen, mit der Mathematik klar zu kommen.
Diese lustigen, soziologischen Experimente lassen sich nur in 1/3 der Fälle erfolgreich wiederholen. Hier sollte man also, bevor das bestätigt und geprüft wurde, die Kuh im Dorf lassen. Es gibt nebenbei auch Studien, die die Begabung für Mathematik mit einem mittleren Testosteronspiegel während der pränatalen Hirnentwicklung korrelieren, welches sich beispielsweise am D2:D4-Verhältnis (Zeigefinger zu Ringfinger) ablesen läßt. Ein mittlerer Testosteronspiegel wäre bei männlichen Föten aber etwas wahrscheinlicher.
Der Schluß des Autors, das Mädchen von Haus aus im Durchschnitt genauso begabt sind für Mathematik wie Jungen, läßt sich aufgrund der bekannten Daten momentan also nicht ziehen. Die Aussage, daß man sich erst einmal an einer Aufgabe versuchen sollte, bevor man aufgibt, stimmt jedoch immer.